Montag, 21. November 2016

Die Kunst des Taiji

Ich schwitze. Selbst mit den aktuellen Außentemperaturen und geöffneten Fenstern stehe ich im T-Shirt in dem kleinen Raum und gönne mir ein paar Sekunden Ausßzeit. Nicht lange.
Ich bin nicht zum Faulenzen hier!

Also wieder von vorne: Füße zusammen, Gewicht auf den linken verlagern. Hand hoch. Rechtes Bein nach Außen, mit der rechten Hand blocken, mit der linken Schlagen. Linkes Bein ranziehen, wieder nach Außen verlagern. Hände im Fließenden wechsel im Schlag und Block. Die Knie gebeugt und die Form mit fließenden Bewegungen ausführen.
Cloud Hands.
Linken Fuß drehen, rechtes Bein ranziehen. Falscher Einbein Stand.Mit den Händen einen Ball formen, links neben dem Körper-
Holding Universe.
Rechtes Bein nach vorne. Pfeil und Bogen Stand. Hände bilden einen Block.
Die Schöne schaut in den Spiegel.
Und weiter gehts. Energieball bilden, zurück, nach vorne, Schlag, tiefer in die Knie, Push, 180° Drehung, andere Seite. In meinem Kopf laufen die Namen der Formen mit, die Prinzipien und wie sie aussehen sollen. Die Bewegungen. Korrekt ausgeführt und doch fließend. Es halte inne, überlege, wie ich welche Hand koordinieren soll und brauche ein paar Sekunden. Rechts blockt, links hält. Die Form ist zu Ende.
Also wieder von vorne.

Was ich da tue ist keine neue Form des Ausdruckstanzes oder das Ergebnis von zu viel Langeweile, sondern Tai Chi. Oder Tai Chi Chuan. Oder Taiji oder Taijiquan. Wie auch immer man es ausspricht. Es ist und bliebt der selbe Sport.

Sifu beendet die Stunde. Gemeinsam Wolkenhände. Qi Flow. Meditieren. Fertig.

Wir rennen verschwitzt in die Umkleiden, unterhalten uns und lachen einfach. Jeder hier ist gelassen, entspannt und einfach nur lieb. Selbst als mit Abstand Jüngste in der Runde fühle ich mich nicht ausgeschlossen.
Es geht mir gut hier. Die Menschen sind angenehm. Der "Sport" ist angenehm.

Seitdem mit dem Schießen schluss ist, war Taiji die beste Entscheidung meines Lebens. Ich mache es erst seit drei Monaten und ich gebe zu, zu Hause trainieren tue ich nicht immer, aber irgendetwas macht es mit einem. Irgendwas tolles.
Die Welt ist weniger groß, böse und gefährlich. Sie gleicht inzwischen einem Meer voller versteckter Inseln, die ich besuchen will. Und muss ich dafür mit Händen paddeln.

Mein ganzes Lebensziel hat sich in letzter Zeit von "Schießen ist das Einzige im Leben, ich studiere das und das und Promoviere am besten und bin einfach nur gut in allem" zu "Wo ist der nächste Mittelaltermarkt, wo das nächste Festival, wie zur Hölle ging diese Form nochmal und ich werde vermutlich Freiberuflich oder so" geändert.

Und jetzt sitze ich hier, einen Kaffee neben mir, bin mehr oder weniger glücklich mit der jetzigen Gesamtsituation und arbeite gleich an meinem Portfolio für den Aufnahmetest nächstes Jahr zu Animation and Game weiter. Aus den Kopfhörern dringen die Klänge des Mersebuger Zauberspruchs, vertont von Arcus, tschechischen Spielmännern.
Soll ich ehrlich sein? Jetzt fehlt einfach nur noch guter Sex.


Habt einen schönen Montag!
Viel Licht
Yessy

2 Kommentare:

  1. Ciao Somnia,
    Klingt das super!
    Ich habe sooft überlegt, eine Sportart in die Richtung zu machen, aber komme nicht dazu. Vor allem nicht mit dem Abitur.
    Aber irgendwann werde ich es machen!

    Viel Glück und Liebe 💕

    Liebe knuddelne Grüße Amissa ❤

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  2. Liebe Yessy,

    das klingt wunderschön. Es klingt so, wie als wärst du dabei das Wertvollste zu finden, was es auf dieser Welt gibt: Dich selbst. ♥

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Lasst alles raus :) ♥